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Wahl-Watching: Was du machen kannst, um den Online-Wahlkampf fairer zu machen

(Reading time: 5 - 10 minutes)

Besonders während des Wahlkampfs nutzen viele Menschen das Internet, um ihre Meinung zu äußern und andere zu beeinflussen oder zu überzeugen. Das ist an sich richtig und wichtig in einer Demokratie. Allerdings gibt es gerade im Netz einige Leute, deren Kommentare auf Falschaussagen basieren und die andere beleidigen, ihren Ruf schädigen wollen oder ihr Leben bedrohen. Hass und Hetze im Netz sind gefährlich, für einzelne Menschen, ganze Gruppen und die Demokratie!

Von Vincent Hofmann, Matthias C. Kettemann (@MCKettemann), Julius Böke, Katharina Mosene, Hans-Bredow-Institut

Um sie zu schützen, gibt es Strafgesetze des Staates – und interne Regeln der Internet-Plattformen. Diesen Nutzungsbedingungen, AGBs oder auch Community- bzw. Gemeinschaftsstandards genannt, haben sie sich teils selbst verpflichtet. Facebook, YouTube, Twitter, Instagram oder Telegram ahnden aber nicht alle Regelverstöße, die auf ihren Plattformen passieren. Sie finden und sperren nicht alle Urheber*innen von Posts, die täuschen, betrügen oder mit Falschaussagen manipulieren wollen. Und Beleidigungen, üble Nachrede und Volksverhetzung werden nicht immer gemeldet.

Da sind wir alle gefragt! Jede*r von uns kann in einem demokratischen Diskurs Schiedsrichter*in sein und checken, ob die Regeln des Online-Wahlkampfs eingehalten werden – damit Meinungen kritisch, faktenbasiert und fair ausgetauscht werden können.

Dafür braucht es auch dich! Du kannst Wahl-Watcher*in werden und einen wichtigen Beitrag für unsere Demokratie leisten, indem du das Vertrauen in sichere und faire Wahlen stärkst.

Was du dafür wissen musst und tun kannst, erfährst du in diesem Beitrag.

Das Regelwerk

Es gibt zwei Arten von Regeln, auf die du als Wahl-Watcher*in achten solltest: Staatliches Recht, vor allem Strafgesetze, und private Regeln der Plattformen.

Wenn dir ein Inhalt (Posting, Video, Fotos etc.) unangenehm auffällt, überlege dir zuerst, ob der Inhalt illegal sein kann. Wie sollst du das einschätzen, wenn du nicht gerade mit Justus in der Jura-Vorlesung sitzt? Die drei wichtigsten Strafnormen, gegen die ein Inhalt verstoßen könnte, erklären wir dir hier:

Staatliches Recht: die Strafgesetze

Beleidigung – § 185 StGB

Die Beleidigung hat wohl jeder schon einmal begangen, dennoch ist sie strafbar und kann verfolgt werden. Geschützt werden soll die Ehre einer Person. Wenn du dich also fragst, ob ein Posting oder Inhalt eine Beleidigung ist, musst du dich eigentlich fragen: „Verletzt die Aussage mich oder eine andere Person in ihrer persönlichen Ehre?" Das kann auch dann erfüllt sein, wenn jemand eine falsche Behauptung über dich oder andere aufstellt, z.B.: „Du bist ein Betrüger!" Stimmt diese Aussage allerdings, ist sie natürlich auch keine Beleidigung.

Üble Nachrede – § 186 StGB

Die üble Nachrede ist der Beleidigung sehr ähnlich: Sie soll einerseits die Ehre einer Person schützen. Gleichzeitig steht der gute Ruf der Person im Mittelpunkt. Die üble Nachrede hat zwei Voraussetzungen: Das Mitteilen (1) einer Tatsache, die (2) dazu geeignet ist, eine Person in ihrem guten Ruf zu schädigen. Tatsachen können bewiesen werden. Daher unterstellt „Du Betrüger" eine Tatsache (du hast einen Betrug begangen), „Du Drecksau" aber nicht, weil „Drecksau" nicht bewiesen werden kann. Stimmt die behauptete Tatsache nicht und schädigt den guten Ruf der Person, dann liegt eine üble Nachrede vor. Das Besondere an der üblen Nachrede: Ob die Tatsache richtig oder falsch ist, muss der beweisen, der sie verbreitet hat.

Volksverhetzung – § 130 StGB

Die Volksverhetzung schützt den öffentlichen Frieden und insbesondere Minderheiten.

Auf Internetplattformen kann eine Volksverhetzung dann vorliegen, wenn Inhalte veröffentlicht werden, die zur Gewalt gegen einen Teil der Bevölkerung (z.B. Juden, queere Personen, Ausländer*innen) aufrufen. Auch können Aussagen, die der Gruppe das Recht auf Leben absprechen, eine Volksverhetzung sein, auch wenn nicht konkret zur Gewalt gegen die Gruppe aufgerufen wird.

Dabei muss der öffentliche Frieden gestört werden bzw. die Gefahr dazu bestehen. Der verbreitete Inhalt muss also andere Personen erreichen und ermuntern, weitere Straftaten gegen eine Minderheit zu begehen.

Vielen bekannt dürfte § 130 Abs. 3 des Volksverhetzungs-Tatbestand sein, welcher es unter Strafe stellt, die systematische Tötung von jüdischen Menschen durch die Nazis abzustreiten.

Die Regeln der Plattformen

Inhalte, die gegen ein Strafgesetz verstoßen, sind auch auf fast allen Plattformen verboten. Viele Plattformen gehen jedoch weiter als das Strafgesetz und verbieten noch weitere Inhalte. Das liegt einmal daran, dass das Strafrecht ein sehr hartes Mittel ist. Geld- oder sogar Haftstrafen sind schwere Eingriffe in jemandes Leben. Daher sind Strafgesetze traditionell eher eng gefasst. Außerdem haben auch die Plattformen ein Interesse daran, nicht negativ aufzufallen (was sie trotzdem regelmäßig schaffen), weshalb sie mache Regeln strenger formulieren als der Staat mit seinen Strafgesetzen.

Facebook

In Bezug auf Wahlen sind bei Facebook nach den Gemeinschaftsstandards insbesondere die Falschdarstellung von Wahldaten (Falsche Wahlergebnisse, Wahlberechtigung, angebliche Wahlfälschung) verboten. Werbeanzeigen dürfen nie reißerische oder diskriminierende Inhalte verbreiten. Auch die Verherrlichung oder Unterstützung von Gewalt rund um die Wahl sind verboten.

Twitter

Twitter hat eine eigene Richtlinie zur Wahl mit dem komplizierten Namen „Richtlinie zur Integrität staatsbürgerlicher Prozesse". Demnach sind die Verfälschung und die Beeinträchtigung von Wahlen verboten. Auch dürfen Wähler*innen nicht eingeschüchtert und so von der Wahl abgehalten werden. Damit setzt Twitter ähnliche Standards wie Facebook.

YouTube

YouTube verbietet falsche Aussagen darüber, wer zur Wahl steht und wer aktuell ein Amt bekleidet. Auch der Versuch, eine Wahl zu stören oder zu behindern, ist untersagt.

Instagram

Instagram gehört zu Facebook. Trotzdem gelten andere Standards für Nutzer*innen. Instagram hat z.B. keine eigene Richtlinie zum Thema Wahlen oder Politik. Allerdings kannst du auch bei Instagram Inhalte melden, die du für Falschinformationen hältst. Werbung muss auf Instagram und Facebook als Politischer Inhalt gekennzeichnet werden. Auch muss erkennbar sein, wer für die Anzeige bezahlt hat.

TikTok

Die Gemeinschaftsstandards von TikTok verbieten jede Form von politischer Werbung, also bezahlter politischer Inhalte. In nicht bezahlten Videos sind auch „irreführende Inhalte" verboten, also Falschnachrichten dürfen nicht verbreitet werden.

Telegram

Im Gegensatz zu Twitter, Facebook und YouTube ist das Melden von möglicherweise illegalen Inhalten bei Telegram deutlich schwieriger. Telegram möchte von sich aus möglichst viele Inhalte und Diskussionen in seinem Netzwerk bestehen lassen. Nur öffentlich zugängliche Inhalte können per Mail oder direkt über das Nutzer*innenprofil gemeldet werden. Davon umfasst sind nicht die großen „privaten" Gruppe, welche auch bis zu 200.000 Mitglieder haben können. Zu diskriminierenden, hetzerischen oder beleidigenden Inhalten schweigen die Nutzungsbedingungen von Telegram. Lediglich darf in öffentlichen Gruppen nicht zu Gewalt angestachelt werden. Falsche Informationen zu Wahlen sind nicht verboten.

Was du tun kannst

Jetzt hast du also diesen Inhalt gefunden und willst dagegen etwas unternehmen.
Was kannst du tun?

Du hast unterschiedliche Möglichkeiten, je nachdem ob der Inhalt deiner Meinung nach illegal ist oder „nur" gegen die Regeln der Plattform verstößt.

Illegaler Inhalt

Der Inhalt, den du siehst, verstößt Deiner Meinung nach gegen ein Gesetz?

Dann hast du drei Optionen: du kannst Strafanzeige erstatten, eine Plattform-Meldung machen und es einer NGO melden, am besten sogar alles drei.

Verstoß gegen Plattformregeln

Du denkst nicht, dass der Inhalt gegen ein Gesetz verstößt, siehst aber die Regeln der Plattform verletzt? Dann kannst du zwar keine Strafanzeige erstatten, du kannst aber den Inhalt an die Plattform melden und Dich an eine NGO wenden.

Zur Hilfestellung hier ein paar Beispiele mit Handlungsempfehlungen:

Beispiel Fact-Check Plattform-Meldung Strafanzeige
„Die Grünen wollen alles verbieten."
„Die AfD – das sind doch alles Nazis."
„Ausländer sind alle kriminell und gehören des Landes verwiesen."
„Dieser/diesem (namentlich genannten) Politiker*in sollte man mal einen Besuch abstatten und gerecht bestrafen."
„Die Briefwahlen werden manipuliert."
Nicht gekennzeichnete Wahlwerbung
„Bill Gates und Angela Merkel wollen alle Menschen micro-chippen und versklaven."

Wie genau geht das?

Du hast also bis zu drei Optionen. Konkret kannst du folgendes machen:

1. Strafanzeige

Auch wenn es nicht immer so wirkt: Viele Behörden bieten ziemlich gute digitale Lösungen. So auch die Polizei. Du kannst in allen Bundesländern (die Arbeit der Polizei ist fast immer Sache der Länder) online eine Anzeige erstatten. Auf online-strafanzeige.de kannst du Dein Bundesland auswählen und wirst von dort relativ einfach durch das Formular geführt. In dem Formular passen nicht immer alle Punkte für eine Straftat im Internet. Zum Beispiel musst du den Tatort angeben. Das ist natürlich schwierig im Internet. Nutze hier Platzhalter wie „unbekannt" oder „siehe Angabe zum Sachverhalt". In der Beschreibung des Sachverhalts (Was ist passiert?) kannst du den Link zu dem Inhalt einfügen. Dir selbst kann bei einer Strafanzeige übrigens wenig passieren. Zwar gibt es ein paar Gesetze, die erfundene Straftaten oder falsche Anzeigen bestrafen. Dafür musst du aber immer bewusst etwas Falsches verbreiten. Wenn du der Meinung bist, ein Inhalt ist illegal, kannst du auch ohne Konsequenzen eine Strafanzeige erstatten.

2. Meldung bei den Plattformen

Eine Plattformmeldung geht relativ schnell und einfach. Du kannst bei den meisten Netzwerken direkt an dem betroffenen Beitrag ein Fenster öffnen und „Melden" auswählen. Dann werden Dir verschiedene Gründe vorgeschlagen. Im Wahlkampf können dies insbesondere „Rechtswidriger Inhalt nach NetzDG" oder „Fehlinformation" sein. Bei rechtswidrigen Inhalten kannst du Dein frisch gewonnenes Wissen über die oben erklärten Straftaten direkt anwenden.

Die Plattformen müssen dann den Inhalt prüfen und illegale Inhalte nach spätestens sieben Tagen entfernen.

Übrigens: Das NetzDG wurde gerade erst erneuert und sieht jetzt vor, dass du bei Löschungen gegen die Maßnahme der Plattform vorgehen kannst. Sollte bei dir selbst also einmal ein Inhalt gelöscht werden, kannst du dich bei der Plattform beschweren.

3. Meldung an NGO

Was du wahrscheinlich noch nicht so häufig gemacht hast, ist eine Meldung an eine NGO. NGO steht für Non Governmental Organisation, zu deutsch Nicht-Regierungsorganisation. Das sind Gruppen, die sich für die Gesellschaft einsetzen. Greenpeace ist z.B. eine NGO.

Für den Online-Wahlkampf gibt es verschiedene NGOs, die Dir weiterhelfen können. Zwei davon sind HateAid und Correctiv.

correctiv.org

Correctiv.org recherchiert bei möglichen Falschmeldungen, ob der Inhalt der Wahrheit entspricht und veröffentlicht Richtigstellungen. Correctiv.org bittet explizit um Mithilfe und wünscht sich, dass eventuell falsche Inhalte an sie gemeldet werden. Das kannst du ganz einfach im Crowd Newsroom (Link) tun.

hateaid.org

Die Beratungsstelle bei digitaler Gewalt – HateAid (Link) ist speziell für Opfer digitaler Gewalt da. Wenn du oder Bekannte von Dir Opfer von Online-Mobbing, Online-Gewalt oder ähnlichem werden, kannst du Dich an hateaid.org wenden. Auf der Seite von hateaid.org gibt es auch viele nützliche Informationen rund um digitale Gewalt und den persönlichen Umgang mit diesem Problem.

Digitale Gewalt gegen Frauen

Frauen und Personen mit Migrationshintergrund werden im Netz überproportional häufig mit Beleidigungen, übler Nachrede und Gewaltandrohungen konfrontiert. Rassismus, Sexismus, Heteronormativität und andere Diskriminierungsformen überschneiden und verstärken sich (man spricht hier von „intersektionaler Diskriminierung"

Hier ein paar konkrete Tipps, wenn du oder ein*e Bekannte*r mit Digitaler Gewalt konfrontiert ist:

  1. Such dir Verbündete! Vertrau dich jemanden aus deinem Umfeld an und sprich über die Geschehnisse!
  2. Blockiere die Leute, die dich angreifen. Nimm ihnen die Stimme.
  3. Sichere Beweise! Erstelle Screenshots, bevor die Inhalte gelöscht werden. Das kann zu deiner Entlastung auch von Freund*innen übernommen werden.
  4. Melde die Accounts bei den sozialen Netzwerken!
  5. Erstatte Anzeige bei der Polizei! Mach den Täter*innen deutlich, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.

Tolle Hinweise findest du auch von Bff: Frauen gegen Gewalt und in diesem Flyer der Amadeu Antonio Stiftung. Unterstützung und Beratung findest du auch bei HateAid, die dich über kommunikative und technische Gegenstrategien aufklären können.

Deinem Wahl-Watching steht nichts mehr im Wege

Jetzt kannst den Wahlkampf online beobachten und einschreiten, wenn jemand gegen die Regeln verstößt. Versuche dabei, politisch neutral zu bleiben und Dich auf die Meldung von Verstößen gegen Regeln zu beschränken. Wenn dir eine Meinung oder ein Inhalt politisch nicht gefallen, bleibt immer die demokratischste Form der Auseinandersetzung: die sachliche Gegenrede. Schreib einen kritischen Kommentar und teile den Verfasser*innen mit, dass du anderer Meinung bist. Davon lebt die Demokratie - und die wollen wir ja stark machen!

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