Diese Seite ist nicht verfügbar: Geoblocking, die SPD und die Bundestagswahl im Ausland
Obwohl ein Vorteil von Social Media in der grenzüberschreitenden, raum- und zeitunabhängigen Kommunikation liegt, spielen die Wahlberechtigten im Ausland kaum eine Rolle im Bundestagswahlkampf. Die Facebook-Seite der SPD arbeitet sogar mit Geoblocking – das heißt, sie ist in vielen Ländern gar nicht verfügbar.
Von Team (@ZahlenZurWahl), European New School of Digital Studies
Geschätzte 3 bis 4 Millionen Deutsche leben im Ausland, von denen 2017 rund 113.000 an der Bundestagswahl teilgenommen haben.1 Wie viele deutsche Wahlberechtigte genau im Ausland leben, ist statistisch nicht erfasst, ihre Meinungen werden in den Wahlumfragen nicht erhoben und die bürokratischen Hürden, an Wahlen teilzunehmen, sind hoch. Auch werden die Stimmen der Auslandsdeutschen nicht separat in einem eigenen Wahlkreis erfasst, sondern ihren ehemaligen Wohnorten zugeschlagen – Deutsche im Ausland haben also keine eigene Repräsentation ihrer Interessen, ein eigenes Direktmandat, im Bundestag. Allerdings leben auch viele Deutsche im Ausland, die noch in Deutschland gemeldet sind und ihre Stimme regulär per Briefwahl abgeben können. Im Wahlkampf spielen sie für die Parteien und Kandidierenden hingegen keine Rolle.
Social Media würden es den Parteien eigentlich recht einfach machen, diese Wähler:innen anzusprechen und zu mobilisieren. Deutsche Parteien können in London, Mallorca oder Costa Rica zwar keine Wahlplakate aufhängen, Auslandsdeutsche aber über Werbung auf Facebook gezielt ansprechen. Daher überrascht es doch, dass die SPD die Inhalte ihrer Facebook-Seite in zahlreichen Ländern blockiert. So ist es z.B. nicht möglich, die Seite aus den USA, Großbritannien, Spanien, Belarus oder Tschechien aufzurufen und ihre Beiträge werden den Bürger:innen vor Ort auch nicht in ihren Timelines angezeigt.
In den rot markierten Ländern ist die Facebook-Seite der SPD nicht verfügbar. Stand 18.09.2021
Wir haben die Verfügbarkeit der Seite mittels VPN getestet – für alle großen deutschen Parteien, einige ihrer Unterseiten und Jugendorganisationen. Ein VPN (virtual private network) leitet den Aufruf einer Webseite über einen anderen Internetanschluss, wodurch es für den Seitenbetreiber so aussieht, als würden die Informationen an einen anderen Computer als den eigenen gesendet. Wir haben das Netz des VPN-Anbieters HMA mit vielen Standorten weltweit genutzt, um so Anfragen aus allen möglichen Ländern zu simulieren.
Ergebnis unseres Experiments: Nur die SPD nutzt Geoblocking, die Seiten aller anderen Parteien sind international überall verfügbar. Auch die Seiten dutzender Kandidierender und Politiker:innen sind aus dem Ausland teilweise nicht erreichbar, wobei wir nicht alle einzeln überprüft haben. Insgesamt ist die Facebook-Seite der SPD in mindestens 133 Ländern geblockt (darunter China und Nordkorea, was an der dortigen Internetzensur, nicht an der SPD liegt).
Ein Kollateraleffekt dieses Geoblockings der SPD ist, dass es schwierig bis unmöglich wird, die Facebook-Kommunikation der Partei zu beobachten und wissenschaftlich auszuwerten. Unser Projekt arbeitet, wie viele andere Projekte auch, mit dem Datenanbieter Crowdtangle. Crowdtangle gehört Facebook und stellt gegenwärtig fast den einzigen Weg dar, verlässlich und legal an Daten für unsere Analysen zu gelangen. Aufgrund des Geoblocking kann man über Crowdtangle die Daten der SPD Facebook-Seite nicht archivieren und analysieren. Die daraus folgenden unvollständigen Datensätze sind ein Problem für Forschende – und nicht eben im Sinne der Transparenz, der sich die Parteien, auch die SPD, im Kodex für einen fairen Wahlkampf verschrieben haben.2
Wieso sich die SPD entschlossen hat, ihre Inhalte für Personen in 133 Ländern zu blockieren, wissen wir nicht. Unsere Anfragen per Facebook und Email blieben leider unbeantwortet.
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