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Saftladen oder Politikum? Wie die Wahlkampf-Flaschen von True Fruits polarisieren

(Reading time: 3 - 5 minutes)

Im Zuge einer Marketingkampagne druckte die Bonner Firma “True Fruits” auf Smoothie-Flaschen Auszüge aus Wahlprogrammen der sechs im Bundestag vertretenen Parteien. Darunter auch das der AfD. Das Unternehmen wollte damit nach eigenen Angaben das politische Wissen der Käufer:innen testen. Im Netz polarisierte die Kampagne allerdings stark. Lebensmitteleinzelhändler Edeka boykottierte die Kampagne, die AfD hingegen nutzte sie für ihren eigenen Wahlkampf.

von Jessica Haak (@haak_jes), NRW School of Governance

Wer, was, wie?

Im Vorfeld der Bundestagswahl (Ende August) benannte der Hersteller “True Fruits” sechs Smoothies nach Parteien aus dem Bundestag. Neben den Parteinamen standen Auszüge aus den Wahlprogrammen auf den Flaschen. Zusätzlich zu den korrekten Forderungen der Parteien hat sich das Unternehmen zwei falsche Aussagen ausgedacht. So wird den Grünen die Forderung nach einer Genderpflicht in Schulen unterstellt. Über die CDU ist zu lesen, dass sie stark zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke höher besteuern möchte. Die FDP wolle den gesetzlichen Mindestlohn abschaffen. Und die AfD verlange eine Einbürgerungsgrenze von 1.500 Migrant:innen pro Jahr.

Auf der Webseite des Unternehmens heißt es, dass mit diesem “true-or-false-Spielchen” das politische Wissen der Käufer:innen getestet werden solle. Auf der Kampagnenseite “Die Qual der Wahl” sind die genauen Quellenangaben der Flaschentexte nachzusehen.

#diequalderwahl – Edeka boykottiert, AfD applaudiert

Unter Hashtags wie #diequalderwahl, #seiwählerisch, #wählkeineflasche und #btw21 postete das Unternehmen Bilder der politisch gestalteten Smoothie-Flaschen in den Sozialen Medien. Neben Motiven der Flaschen vor weißem Hintergrund thematisieren einige wenige Beiträge konkrete Politikfelder. Ein Beitrag bildet unter dem Schlagwort “Sparpolitik” die Flaschen mit Geld gefüllt ab. Ein anderer enthält Hashtags wie #Umweltpolitik und #greenwashing und zeigt die Flaschen bepflanzt. “True Fruits” verbreitete die unterschiedlichen Beiträge zwischen 26. August und 01. September auf verschiedenen Facebook, Instagram und Twitter.

Bei Twitter erreichten die Beiträge durchschnittlich 387 Likes und 130 Kommentare pro Tweet (5), bei Facebook 2449 Likes und 805 Kommentare pro Beitrag (6). Mit Abstand die meisten Nutzer:innen-Reaktionen generierte die Kampagne bei Instagram. Dort erhielt jeder Beitrag im Schnitt 6.442 Likes und 759 Kommentare. Mit 17.887 Likes besonders auffällig ist hierbei ein Instagram-Beitrag vom 19. August. Adressiert ist dieser an den Lebensmitteleinzelhändler Edeka:

Der Beitrag ist als ein direkter Konter auf ein Posting von Edeka zu verstehen.1 Wenige Stunden zuvor hatte der größte Lebensmitteleinzelhändler Deutschlands in den Sozialen Medien bekannt gegeben, die AfD-Flaschen zu boykottieren und an den Hersteller zurückzusenden: “Danke für eure neue Lieferung, true fruits Smoothies. Die AfD-Flaschen haben wir aber nicht bestellt, die gehen wieder zurück!” hieß es über dem Beitrag.

Bei den Social-Media-Nutzer:innen sorgten die Kampagne und der Eklat mit Edeka für zwiespältige Reaktionen. Einerseits lobten die Nutzer:innen die Kampagne dafür, die Wahl und die Parteiprogramme sichtbar und zugänglich zu machen. “So erreicht man Leute, sich mit Inhalten zu beschäftigen, die sowas sonst eher nicht tun”, kommentierte ein Twitter-Nutzer unter einem Beitrag. Andererseits warfen viele Nutzer:innen dem Unternehmen vor, das Programm der AfD ohne Einordnung zu verbreiten: “Einer Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, eine Plattform zu geben, ist ein NO-Go. Ohne wenn und aber. DANKE #EDEKA”, schrieb eine Nutzerin. Unter dem Facebook-Beitrag von Edeka fanden sich dankende Worte für die “klare Positionierung”. Andere Nutzer:innen beklagten sich dagegen über das”hochdefizitäre Verständnis von Demokratie”, das der Einzelhändler durch den Boykott deutlich mache.

Die AfD wiederum nutzte die Auseinandersetzung für den eigenen Wahlkampf. In einem Tweet bezeichnete die AfD Berlin die Kampagne als “mutig” und rief unter den Nutzer:innen einen Foto-Wettbewerb aus. Sie wolle “jede Zusendung mit einer AfD-TrueFruits Flasche in oder vor einem Edeka Markt” mit 5 Euro prämieren. Die Fotos würden dann für “Wahlkampfzwecke” verwendet.

Auch Götz Frömming, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Berlin, posierte auf Twitter mit den Flaschen. Der “AfD-Saft” komme “gut an”. “Lachender Dritter des Streits” sei die AfD, schrieb Frömming und bedankte sich bei Edeka für “diese geile Werbung!”.

Fazit

Mit #diequalderwahl hat “True Fruits” in den Sozialen Medien eine breite politische Debatte ausgelöst. Dabei geht es wohl eher um Aufmerksamkeit und Marketing als um politische Bildung und Aufklärung. Schon früher setzte das Unternehmen mit seinen Marketingaktionen auf Kontroversen und bediente sich auch stereotyper und rassistischer Werbeslogans.2 Zwar versucht sich “True Fruits” – wie in dem an Edeka adressierten Beitrag – von der AfD abzugrenzen. Dennoch wurde die Kampagne von der Partei zu Wahlkampfzwecken instrumentalisiert. Auch Saft-Flaschen mit Parteinamen und Parteiprogramm können die Agenda rechter Parteien befördern. Und dafür trägt True Fruits die Verantwortung, selbst wenn sie diese von sich weist.


  1. Das Instagram-Posting von True Fruits orientiert sich auch in seiner Gestaltung deutlich an dem Beitrag von Edeka.↩︎

  2. 2017 bewarb das Unternehmen in Österreich einen schwarzen Smoothie mit dem Satz “Schafft es selten über die Grenze”. In Deutschland nannte das Unternehmen 2019 einen dunklen Smoothie “Unser Quotenschwarzer” und bewarb andere seiner Produkte mit höchst sexistischen Anspielungen: In den Sozialen Medien lösten die Werbekampagnen einen regelrechten Shitstorm aus: https://www.merkur.de/wirtschaft/true-fruits-veroeffentlicht-erneut-provokantes-posting-user-reagieren-drastisch-zr-11773468.html↩︎

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