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Rote Socken auf dem Weg zur Macht? Die Diskussion um eine Regierungsbeteiligung auf Social Media

(Reading time: 4 - 7 minutes)

Im ersten Triell am 28. August 2021 schloss Annalena Baerbock eine Koalition mit der LINKEN so gut wie aus, Olaf Scholz stellte als Anforderung ein Bekenntnis zu NATO und Verteidigungspolitik – wie reagierte die LINKE in ihren Social-Media-Posts darauf?

Von Natalie Mittler, NRW School of Governance / Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Besonders seit dem ersten Triell der Kanzlerkandidat*innen am 28. August 2021 wird über mögliche Regierungskoalitionen nach der Bundestagswahl diskutiert. Die Parteien nutzen diese Diskussion unterschiedlich im Wahlkampf. Wie äußert sich die LINKE in den sozialen Netzwerken zu möglichen Koalitionen? Wie nutzt sie diese Diskussion für ihren Wahlkampf? Und hat sich ihr Umgang mit einer möglichen Regierungsbeteiligung nach dem Triell geändert?

“Linksrutsch” – Panikmache und Aufmerksamkeit

Die LINKE spielte in der Berichterstattung bis dahin eine kleinere Rolle. In Umfragen liegt sie lediglich bei etwa 6 Prozent und bangt um den Einzug in den Bundestag.1 Aber spätestens seit eine mögliche rot-grün-rote Regierung diskutiert wird, rückt die LINKE in den öffentlichen Fokus. Eine mögliche Regierungsbeteiligung der Linken polarisiert. Schon die Fragen der Moderator*innen im ersten und zweiten Triell ließen Kritik an der Linken anklingen.2 Und andere Parteien wettern gegen eine rot-grün-rote Koalition, wie etwa die CSU:

Auf der anderen Seite erlaubt die Diskussion um eine Regierungsbeteiligung der LINKEN, sich medial stärker zu inszenieren, und auch, ihre eigenen Positionen weiter zu verbreiten. Wie äußerte sich die Linke zu möglichen Koalitionen? Der erste Post aus den Reihen der LINKEN zu einer möglichen rot-grün-roten Regierung stammt von Dietmar Bartsch am 12. August 2021.3

Damit blieb er zunächst der Einzige aus der Führungsriege der Partei mit einer konkreten Äußerung zu einer rot-grün-roten Koalition in den Sozialen Medien. Auch die Bundespartei erstellte vor dem Triell keinen Post zum Thema Koalition. Sie retweetete lediglich einen Tweet von Bartsch am 22.08. Dabei scheint die Linke früh die FDP als Gegenspieler in der Koalitionsfrage identifiziert zu haben. Denn viele der Beiträge zum Thema Koalition und Regierungsbeteiligung verweisen darauf, dass SPD und Grüne ihre Ziele nicht mit der FDP erreichen könnten. Zugespitzt heißt die Formel: “LINKE oder Lindner”. So spricht Bartsch sogar von einer Ampel-Koalition als “Wahlbetrug mit Ansage”.4

Die Linke nutzt die Aufmerksamkeit nach dem Triell und postet in den Tagen vom 29. bis 31. August viel über mögliche Koalitionen. Am 6. September folgt die Veröffentlichung eines “Sofortprogramm für den Regierungswechsel”. Dieses wird auch auf allen Social-Media-Kanälen geteilt und erhält einige mediale Aufmerksamkeit. Damit dient die LINKE sich einerseits als Koalitionspartner an. Sie nutzt andererseits die momentane Aufmerksamkeit, um wichtige inhaltliche Punkte und politische Forderungen zu betonen. Auf Facebook und Twitter werden diese als Sharepic geteilt und in den folgenden Tagen Posts zu den einzelnen Themen veröffentlicht. Trotzdem wird die LINKE weiterhin mehr als möglicher Steigbügelhalter einer rot-grünen Koalition diskutiert als mit Blick auf politischen Inhalte.

Der zweite Wahlspot der LINKEN wurde am Abend des zweiten Triells um 18:00 Uhr auf Facebook und Twitter veröffentlicht. In den Social Media-Posts bekam er den Hashtag #Triell. Auch damit nutzt die LINKE die Aufmerksamkeit um das zweite Triell, um für sich und ihre Positionen zu werben. Dieses Triell wurde sogar mit Fragen nach der Koalitionsbildung eingeleitet. Diese lieferten aber kaum neue Aussagen der Kanzlerkandidat*innen. In den sozialen Medien wurde die Koalitionsoption danach wenig diskutiert.

Auch die LINKE äußert sich während oder nach dem zweiten Triell auf ihren Accounts weniger zu rot-grün-rot. Auf Twitter postet die Bundespartei, nachdem die LINKE wieder Thema der TV-Debatte war, allein einen Hinweis auf ihre Inhalte und einen Link zum Wahlprogramm.

Auch Dietmar Bartsch äußert erst ein paar Tage später einen eher indirekten Appell Aufruf an SPD und Grüne für ein Mitte-Links-Bündnis in einem Post zum Regierungswechsel in Norwegen:

Deutlicher wird Janine Wissler, die den Ausdruck “historischer Linksrutsch” von Söder in mehreren Posts aufgreift und dafür offensiv wirbt.5

Außenpolitik? Weitgehend Fehlanzeige

Im Fokus stehen in der Diskussion um eine linke Regierungsbeteiligung außenpolitische Fragen. So mahnen Scholz und Baerbock bei der LINKEN ein Bekenntnis zur NATO an und kritisieren etwa deren Ablehnung des Evakuierungseinsatzes aus Afghanistan im Bundestag. Auf die von ihr geforderten “Bekenntnisse” reagierte die LINKE nach dem ersten Triell in einem Sharepic. Den Fragen nach NATO und Auslandseinsätzen weicht sie aber aus.6

Außenpolitik war vor dem Triell vor allem in Zusammenhang mit Afghanistan Thema auf den Social-Media-Accounts der LINKEN. Vielfach ging es dabei um den Afghanistan-Einsatz, den die LINKE von Beginn an ablehnte, und um ein Verbot von Waffenexporten.7 Seit Mitte August postete die Bundespartei alle paar Tage auf Facebook und Twitter, um die fehlgeschlagene Evakuierung der Ortskräfte und das zu späte Handeln der Bundesregierung zu kritisieren. Zuvor stand Außenpolitik nicht im Fokus der Social-Media-Wahlkampagne der LINKEN: Am 6. August veröffentlichte sie einen Post zum Abwurf von Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Dieser wurde über verschiedene Accounts der LINKEN über die Plattformen geteilt.8 Ansonsten wurde Außenpolitik wenig thematisiert, auch bei den Spitzenkandidat*innen. Von Janine Wissler gibt es lediglich außenpolitische Posts zu Afghanistan mit der Evakuierung von Ortskräften und ihren Familien, Frauen- und Menschenrechtsaktivistinnen. Dietmar Bartsch postete ab Mitte August häufig zu Afghanistan. Davor und daneben war Außenpolitik kaum Teil seines Social-Media-Auftritts.

Fazit

Die LINKE nutzte das Triell und die Diskussion um eine mögliche rot-grün-rote Koalition in den Sozialen Netzwerken, um für sich und ihre politischen Forderungen zu werben. Zunächst verknüpfte sie dies mit dem Ruf nach einer rot-grün-rote Koalition. Seit dem zweiten Triell werden SPD und Grünen dabei nicht mehr genannt. Der von konservativer Seite heraufbeschworene “Linksrutsch” wird bei ihr geschickt als Wahlkampf-Slogan ausgeschlachtet. Den von SPD und Grünen geforderten außenpolitischen Bekenntnissen weicht sie aber aus. Außenpolitik steht kaum im Fokus des Social-Media-Wahlkampfs der LINKEN. Lediglich die Situation in Afghanistan wird hier wiederholt thematisiert. Wortmeldungen zu NATO und Militäreinsätzen scheint die Partei eher zu vermeiden.

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