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Wer soll das bezahlen? Das Steuerkonzept der LINKEN im Social Media-Wahlkampf

(Reading time: 3 - 6 minutes)

Die LINKE hat viele politische Forderungen in ihrem Wahlprogramm – und liefert einen Vorschlag zu deren Finanzierung direkt mit. Durch eine höhere Besteuerung von besonders hohen Einkommen und Vermögen sollen niedrige und mittlere Einkommen entlastet und zusätzlich Geld in die Staatskasse gespült werden. Wie wird dieses “gerechte Steuerkonzept” im Social-Media-Wahlkampf der LINKEN eingesetzt?

Von Natalie Mittler, NRW School of Governance / Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Ein gerechtes Steuerkonzept ist die Grundlage für die politischen Forderungen der LINKEN. Viele Posts zu Klima- und Sozialpolitik, Wohnraum, Bildung oder Mobilität verweisen darauf, dass diese Maßnahmen aus erhöhten Steuereinnahmen aus Spitzensteuersatz und Vermögenssteuer finanziert werden sollen. Zum Beispiel verweist Spitzenkandidatin und Parteivorsitzende Janine Wissler in einem Interview auf eine Vermögenssteuer und Vermögensabgabe zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen.1 Damit würden vor allem Milliardäre und Multimillionäre in die Pflicht genommen. So wird das Thema Steuergerechtigkeit auf den Social-Media-Accounts der Partei und Spitzenkandidat*innen zur Grundlage für fast jedes andere politische Thema.

Von Juli bis Mitte August thematisierte eine Mehrheit der Posts auf Facebook und Twitter das gerechte Steuersystem und Umverteilung. Dabei setzt die LINKE auf den Wiederholungseffekt, nennt in ihren Posts häufig dieselben Zahlen, Studien und Sharepics. Das wirkt einprägsam und macht das komplexe Thema Steuersystem überschaubar und verständlich. So heißt es bei Dietmar Bartsch wiederholt “Politik für Millionen, nicht für Millionäre”.2 Immer wieder wird die Grenze von 6.500 € brutto Monatseinkommen für steuerliche Entlastungen genannt.3 Ergänzt wird das durch Beispiele, wie Steuervorteile für verschiedene Einkommen und Haushaltssituation aussehen könnten – dieselben Sharepics werden von der Partei regelmäßig wieder gepostet, etwa am 12. und 29. August,45 und wieder am 05. und am 19. September.67

Auf Twitter postet die LINKE häufiger und die Themen wechseln schneller. Das Steuerkonzept steht hier nicht allein im Mittelpunkt. Allerdings teilt die Bundespartei viele Tweets zur Steuerpolitik der LINKEN und zum Ziel der Umverteilung. Vor allem Lob von Zeitungen oder Wirtschaftsinstituten wird gerne und viel gepostet. Zum Beispiel:

Für ihr Steuerkonzept hat die LINKE von Veröffentlichung an viel positive Presse bekommen und diese oft in den sozialen Netzwerken geteilt. Der LINKEN wurde in der Vergangenheit oft vorgeworfen, für ihre politischen Forderungen gebe es keine Finanzierung. Die Botschaft ist nun: Das ist dieses Mal anders. Die LINKE stellt sich als haushalts- und wirtschaftspolitisch kompetent und verantwortungsvoll dar – sonst eher das Image von Union und FDP. Deswegen ist der LINKEN die Anerkennung von Zeitungen und Wirtschaftsinstituten so wichtig. Auffällig oft verweist die LINKE hier online auf Offline-Inhalte mit Zitaten oder Videoausschnitten aus Interviews.8

Zum Thema Umverteilung nutzt die LINKE in Posts den Hashtag #MachtdasLandgerecht. Auf Facebook wurde der Hashtag zu Beginn des Wahlkampfes häufiger, später weniger verwendet. Teilweise taucht stattdessen die Formulierung “Wir machen das Land gerecht” oder “Wer macht das Land gerecht?” im Text auf. Auf Twitter verwendet die Partei den Hashtag häufig, auf Instagram Account unter fast jedem Post – unabhängig vom Thema.9 Seit Mitte September werden in den Posts auch die Hashtags #AufdieLINKEkommtesan und #Nurmituns verwendet.

Wichtig werden das gerechte Steuersystem und das Thema Umverteilung bei Aussagen zu Koalitionen. Gegen eine Ampel-Koalition wird ins Feld geführt, SPD und Grüne könnten eine auf Umverteilung zielende Steuerpolitik nicht mit FDP und CDU/CSU umsetzen.10

Die LINKE nennt sich selbst “Steuersparpartei” in direkter Abgrenzung zur FDP. Anscheinend hat sie früh die FDP als Konkurrent um eine Regierungsbeteiligung ausgemacht. Denn die LINKE greift damit das Kernthema der FDP an – Steuererleichterungen. Mit ähnlichen Schlagworten zielt sie auf ganz andere Wählergruppen. Immer wieder stellt sie die Vorteile des eigenen Konzepts für Geringverdiener und Mittelschicht heraus – vor allem im Gegensatz zu den anvisierten Erleichterungen der FDP für Spitzenverdiener.

Das Thema Steuerpolitik wird auch zur Kritik an der Union genutzt – gerne in Verbindung mit der FDP. Mehrfach findet sich die Äußerung, Armin Laschet werde ein teurer Kanzler, Christian Lindner ein teurer Finanzminister,11 und die Steuerpläne der Union schadeten dem Staatshaushalt, und der Mehrheit mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Im Wahlkampf-Endspurt postet die LINKE zu vielen Themen ihre wichtigsten Forderungen versehen mit der Formulierung “Nur mit uns” und verweist nochmals auf die Steuerpläne der LINKEN als Alleinstellungsmerkmal.

Fazit

Ein gerechteres Steuersystem steht im Mittelpunkt der Social-Media-Kampagne der LINKEN zur Bundestagswahl. Die Talking Points dazu werden in vielen Posts wiederholt und ziehen sich wie ein roter Faden durch die Social-Media-Präsenz der LINKEN. Der Vorschlag für das Steuerprogramm wird als Alleinstellungsmerkmal genutzt, gerne mit Verweisen auf journalistische Berichterstattung und wissenschaftliche Studien zu den Erleichterungen für Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. In der Diskussion um mögliche Koalitionen grenzt sich die LINKE mit ihrem Steuerprogramm besonders von der FDP ab. Sie plädiert für eine Regierung ohne diese mit der Begründung, SPD und Grüne könnten ihre politischen Ziele – insbesondere auch eine höhere Einkommenssteuer und Einführung einer Vermögenssteuer – nicht ohne die LINKE durchsetzen.

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